Mittelalterliches Leben in Franken sowie Nürnbergs schwieriges Erbe des 20. Jahrhunderts – Wochenendexkursion vom 29. Juni bis 01. Juli 2018

Wochenendexkursion der Archäologischen Gesellschaft in Sachsen-Anhalt e.V. vom 29. Juni bis zum 1. Juli 2018

Abb. 1: Figurenportal am Bamberger Dom (mit Kopie der Orginalstatuen).

An einem schönen Sommerwochenende führte die Exkursion der archäologischen Gesellschaft in Sachsen-Anhalt e.V. nach Nordbayern, um Landschaft und Archäologie in Franken kennenzulernen.

Die erste Station der Exkursion bildete das Diözesanmuseum in Bamberg. Unter der kompetenten Führung von Dr. Matthias Scherbaum lernten wir die Spolien der gotischen Architektur aus der Nähe kennen, die von den Außenfassaden des Domes nach jahrhundertelanger Exposition in der Witterung in die geschützten Räume des Museums gebracht wurden. Wenngleich die Deutung der Bauplastik des Bamberger Doms viele Rätsel aufgibt, so sind doch stilistische Beziehungen zu frühgotischen Vorbildern (Reims) und Nachfolgern (Naumburg) unverkennbar (Abb. 1). Auch der -für uns allerdings wegen einer kirchlichen Veranstaltung im Dom (Stille Tage) nicht besuchbare – berühmte Bamberger Reiter hat mit dem Magdeburger Reiter (heute im Kulturhistorischen Museum der Landeshauptstadt) einer Statue in Sachsen-Anhalt zum Vorbild gedient.

Außerdem zeigt das Museum mittelalterliche Paramente, fränkische Skulpturen der Spätgotik und des Barock sowie religiöse Volkskunst. Zu den bedeutendsten Stücken des Museums gehören die mittelalterlichen Textilien, darunter der Sternenmantel Kaiser Heinrichs II. Aus dem frühen 11. Jahrhundert, das Ornat von Papst Clemens II. Erhalten ist im Bamberger Dom mit dem Sarkophag von Clemens II. das einzige Papstgrab nördlich der Alpen. Clemens II, weltlicher Name Suitger von Morsleben und Hornburg, stammt aus dem heutigen Sachsen-Anhalt.

Abb. 2: Unser Mitglied Martin Nadler bei der Erklärung der Kreisgrabenanlage auf dem Ippesheimer Berg.

Nach Museums- und Stadtrundgang bei strahlendem Sommerwetter rundete ein Schluck köstlichen fränkischen „Rauchbieres“ der berühmten Bamberger Brauerei Schlenkerla den Nachmittag ab.

Am Samstag fuhren wir unter Leitung unseres Mitgliedes Martin Nadler, des Stellvertretenden Referatsleiters der Dienststelle Nürnberg beim Bayrischen Landesamt für Denkmalpflege, zunächst nach Ippesheim zur mittelneolithischen. Kreisgrabenanlage (Abb.2).

Südwestlich von Ippesheim fand sich auf einem Plateau oberhalb des Ifftales eine annähernd kreisrunde Struktur, eine Kreisgrabenanlage, typisch für das frühe 5. Jahrtausend v. Chr. und gekennzeichnet durch eine Palisade sowie einen umlaufenden Spitzgraben. Solche Kreisgrabenanlagen waren nur für eine kurze Zeitspanne von ca. 150 Jahren in Benutzung. Die Anlage wurde seit 1998 durch mehrere Feldbegehungen und Ausgrabungen untersucht, bei denen große Teile des Grabens ergraben wurden. Die in Ippesheim verwendete Keramik war im Stil der sogenannten „Großgartacher Kultur“ verziert. Die ersten Ausgrabungen zeigten auch, dass sich einige der Tordurchlässe auf bestimmte Sonnenereignisse (Sonnwende und Tag- und Nachtgleiche) beziehen. Dies ist auch bei anderen Kreisgrabenanlagen häufig der Fall, daher werden sie in der Forschung auch als Kalenderbauten bezeichnet.

Im Frühjahr 2002 gelang ein sensationeller Fund – die Entdeckung von Resten eines weiblichen Skelettes im Zentrum der Anlage. Die Tote war offensichtlich kopfüber in einer Grube bestattet worden. Durch Erosion und landwirtschaftliche Nutzung des sind die oberen Teile des Skelettes verloren gegangen. Dass die Tote ursprünglich vollständig in die Grube gelangt war, beweist ein Zehenknochen, der nach der Verwesung nach unten gerutscht ist. Verbindungen gibt es auch hier zu vergleichbaren Anlagen in Mitteldeutschland – erinnert sei nur an das Sonnenobservatorium von Goseck im Burgenlandkreis. In Ippesheim deutet vor Ort freilich nichts mehr auf die Grabungsergebnisse – uns blieb nur, die Landschaft, den „genius loci“ auf uns wirken zu lassen.

Abb. 3: Der Bullenheimer Berg.

Unsere nächste Station, der Bullenheimer Berg (Abb.3), ist ein Zeugenberg des Steigerwaldmassivs, das sich rund 150 m über die Umgebung erhebt. In der späten Bronzezeit, der sog. Urnenfelderzeit, befand hier eine Höhensiedlung. Das Plateau wird von einem ca. 3 km langen Ringwall umschlossen, der jedoch an manchen Stellen nicht mehr obertägig erkennbar ist (Abb.4). Außerdem gibt es drei Querwälle auf dem Plateau, die teilweise gut erhalten sind. An den Terrassen des Berges befinden sich außerdem mehrere Grabhügel. Im Westen des Berges auf einem kleinen Bergsporn liegt ein mittelalterlicher Burgstall, von dem jedoch nur noch das Grabensystem erhalten ist, das den Burgstall vom restlichen Berg abtrennt. Auf dem Burgstall befindet sich seit 1972 ein 15m hoher Aussichtsturm, durch dessen Bau der Burgstall teilweise unbeobachtet zerstört wurde.

Abb. 4: Die Exkursionsteilnehmer auf dem Plateau des Bullenheimer Berges.

Das Fränkische Freilandmuseum Bad Windsheim, unser nachmittägliches Ziel, ist ein 45 Hektar großes Museumsgelände am Südrand von Bad Windsheim. Die Errichtung des Freilandmuseums erfolgte seit dem Frühjahr 1979 mit dem Aufbau von Gebäuden, die von ihren ursprünglichen Standorten in das Museumsgelände versetzt wurden. Dieses ist in Häusergruppen (Baugruppen) gegliedert. Ständig werden weitere Gebäude aus Mittelfranken möglichst originalgetreu wiederaufgebaut. 2015 standen über 100 Gebäude im Museumsgelände, jährlich kommen weitere hinzu (Abb.5).

Abb. 5: Bauensemble im fränkischen Freilandmuseum Bad Windsheim.

Am Sonntag ging die Reise nach Nürnberg in das Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände und auf das Zeppelinfeld. Noch heute zeugen hier gigantische Baureste vom Größenwahn des nationalsozialistischen Regimes auf dem Gelände, deren Erhalt die Baudenkmalpflege vor große restauratorische Aufgaben stellt. Der Beton der Tribüne ist äußerst schwer zu konservieren (Abb. 6). In der unvollendet gebliebenen, für 50.000 Menschen ausgelegten Kongresshalle (Abb. 5) befindet sich das in die bestehende nationalsozialistische Architektur „hineingebrochene“ Dokumentationszentrum, das den an das Kolosseum in Rom gemahnenden Gigantismus des Bauwerks gewissermaßen relativiert (Abb.7). Das Dokumentationszentrum wurde den Exkursionsteilnehmern in einer instruktiven Führung nahegebracht. Die Dauerausstellung „Faszination und Gewalt“ befasst sich mit den Ursachen, Zusammenhängen und Folgen der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft. Im Mittelpunkt steht die Geschichte der Reichsparteitage, die als gewaltige Massenveranstaltungen von der NS-Propaganda zur Inszenierung der „Volksgemeinschaft“ genutzt wurden. Das Studienforum bietet zahlreiche Bildungsangebote für alle Altersgruppen zu unterschiedlichen Themenbereichen.

Abb. 6: Tribüne des Nürnberger Reichsparteitagsgeländes.

Danach begann für die Mitglieder der archäologischen Gesellschaft, angefüllt mit zahlreichen neuen Informationen, zuletzt der „Gigantomanie“ des Dritten Reichs, wieder die Rückfahrt. So wurde im Rahmen der Exkursion wieder eine Region Deutschlands kennen gelernt, die reich mit archäologischen und historischen Kulturgütern gesegnet ist.

Abb. 7: Teilansicht der unvollendeten Nürnberger Kongresshalle.

Text und Fotos: Astrid Deffner, Mechthild Klamm, Thomas Weber

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